Wenn wir in den letzten Jahren für Gemeinden geplant oder Konzepte entwickelt haben und es um eine Bauvoranfrage oder einen Bauantrag ging, mussten wir von den Rahmenbedingungen her öfter an die Grenzen des Machbaren gehen. Deshalb lautet eine meiner ersten Fragen meist: Habt ihr einen guten Draht zur Stadtverwaltung, zum Bürgermeister und vor allem auch zu eurer Nachbarschaft?
Ich finde es wichtig, dass uns nicht erst das Bauamt auf die Bedürfnisse unserer nächsten Mitbürger aufmerksam machen muss, sondern wir selbst ein Gespür für ihre Belange und Bedürfnisse entwickeln. Geplante Baumaßnahmen – Veränderungen, Vergrößerungen oder ein ganz neues Gemeindezentrum – bringen immer Lärm mit sich und beeinträchtigen den Verkehr. Und wenn wir uns als Gemeinde mitten in der Gesellschaft positionieren wollen, sind wir zwangsweise da, wo Menschen auch leben und arbeiten. Die Frage ist nur:
Sind wir für sie Segen oder Fluch?
Meiner Erfahrung nach gibt es nur in Ausnahmefällen gute und partnerschaftliche Beziehungen von Gemeinden zu ihren Nachbarn. Dies hat damit zu tun, dass ganz viele Mitglieder der Gemeinden von außerhalb kommen und nach den Veranstaltungen gleich wieder wegfahren. Auch die Leiter der Gemeinden wohnen selten vor Ort.
Dadurch fehlt oftmals der persönliche Bezug zu den Menschen und das Bewusstsein, dass man Teil eines sozialen Gefüges ist, das gepflegt werden will. Und dass auch die Nachbarn Menschen sind, die Gott uns anvertraut hat und um die man sich kümmern sollte. Meiner Beobachtung nach wachen Gemeinden oft erst dann auf, wenn sie von den Nachbarn eine Zustimmung für eine Baumaßnahme brauchen.
Manchmal muss es das offene, persönliche Gespräch sein
Eine wesentliche Erfahrung machte ich auch kürzlich bei der Erweiterung eines Gemeindezentrums im Raum München, bei der wir feststellen mussten, dass es zu den Nachbarn keinerlei Beziehung gab. Als wir zu einer Info-Veranstaltung einluden, kam so mancher, nur bei den direkt betroffenen Nachbarn Fehlanzeige. Für mich steht fest, dass es ihnen nicht nur an persönlichem Kontakt mangelte, schlimmer noch, sie waren über Jahre hinweg frustriert und nie gefragt worden. Da ist es wichtig, zunächst das persönliche Gespräch zu suchen. Eine pauschale Einladung zu einer Info-Veranstaltung hilft in diesem Stadium längst nicht mehr.
Sich was Neues einfallen lassen
In so einem Fall ist klar, dass das Beziehungskonto ziemlich in den Miesen ist. Dann braucht es einiges an persönlicher Zuwendung, Interesse und Wertschätzung. Neue, kreative Wege können eine solche Dynamik umdrehen. Ich ermutige sie dann, ins Gebet zu gehen, um das Bauprojekt als Chance für einen ganz neuen Prozess zu ergreifen. Im besten Fall führt dieser zu einer Freundschaft oder Partnerschaft nicht nur mit den Anwohnern, sondern auch mit Führungspersönlichkeiten der Stadt. Nämlich dann, wenn die Kirchengemeinde anfängt zu fragen, wo sie beten und helfen kann.
Wem fällt diese Art von Beziehungsarbeit leicht?
Ich bin sicher, gerade Verantwortliche in der Lokalpolitik sind dankbar für jede Unterstützung und Nachfrage. Welche Probleme hat die Stadt, wie kann man ihr dienen? Wie der Stadt Bestes suchen? Wichtig ist nur, für diese Aufgabe die richtige Person zu finden. Jede Gemeinde hat einen Netzwerker, dem es leichtfällt, solche Beziehungen aufzubauen. Jemand, der sich im Namen der Gemeinde auch mal entschuldigen kann und wirkliches Interesse an Menschen hat. Nicht alles muss der Pastor oder die Gemeindeleitung selbst machen, wenn das nicht ihr Ding ist.
Wir tragen Verantwortung für unsere Stadt
Landauf, landab gibt es da ein großes Defizit. Viele Christen haben sich abgesondert von der Gesellschaft und interessieren sich kaum noch für ihre Belange. Ein Widerspruch, denn wir sollen unseren Nächsten lieben und Friedensstifter sein. Das gilt auch in Bezug auf die Verantwortlichen unserer Stadtgesellschaft. Wenn Kirchengemeinden zunehmend mit ihnen am gleichen Strang ziehen, wird das ungeahnte Chancen eröffnen und Gunst wird die Folge sein.