Wenn Sie als Gemeinde ein sozial-kirchliches und multifunktionales Gebäude planen, kann ich nur empfehlen, die verschiedenen Bau-Phasen und -Rituale für die Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen, um Medien, Nachbarschaft und Stadtgesellschaft mit ins Boot holen (mehr dazu im Blogartikel „Spatenstich“). So können Sie ganz einfach über die Bestimmung des Gebäudes informieren, genau wie über die dahinter stehende Vision. Was aber noch viel wichtiger ist: Diese Bau-Meilensteine sind erstaunlich effektive Mittel, um bei Menschen eine Sehnsucht nach dem Entstehenden zu wecken und wertvolle Beziehungen zu knüpfen. Um das zu veranschaulichen nehme ich Sie diesmal mit zur Grundsteinlegung vom Westhouse am 1. August 2019.
Appetizer eines Bauprojekts
Die Grundsteinlegung ist ein bewegender Augenblick im Bauprozess. Deshalb macht es Sinn, ihn so „appetitanregend“ wie möglich zu gestalten. Welche Funktion soll das spätere Bauwerk haben? Wofür steht es? Diese Fragen sollten in die Planung der Veranstaltung einfließen. Das Thema des Westhouses heißt ‚Begegnungszentrum‘, daher ging es auch bei der Grundsteinlegung primär um Gastfreundschaft und Atmosphäre.
Natürlich ist die Grundsteinlegung in Zeiten von Satelliten-Navigation und Laser-Technologie nur noch ein symbolischer Akt. Ausmessung und Ausrichtung von Gebäuden orientieren sich längst nicht mehr an einem Stein. Deshalb ist man heute zeitlich nicht an den Baubeginn gebunden. Beim Westhouse haben wir gewartet, bis das Untergeschoss weitgehend fertig war, damit wir eine vernünftige Fläche aus Stahlbeton hatten.
Das Wetter war ein Geschenk des Himmels
Wenn man mit etwa 80 Leuten ohne Dach über dem Kopf feiern möchte, ist die Spannung im Vorfeld immer groß: Wie wird das Wetter? Wir hätten im Regenfall zwar auf die Feuerwehr-Halle zurückgreifen können, aber darunter hätte die Atmosphäre gelitten. Für den strahlend blauen Himmel und die 30 Grad mehr als Wohlfühl-Temperatur waren wir dann echt dankbar.
Zudem erklärte der Vorarbeiter der Rohbaufirma sich kurzfristig bereit, jene Fläche im Untergeschoss von Baumaterial frei zuräumen, auf der die Turnhalle entstehen wird. Die bereits stehenden Außenwände gaben uns einen schönen, geschützten Rahmen. Mit ein bisschen Schatten, um die Musik, das Catering und die guten Gespräche zu genießen. Zum Gelingen des Ganzen trug auch die Sängerin MomBee bei, die emotional, jazzig und mit ein bisschen Gospel für Gänsehaut sorgte. Mit Amazing Grace traf sie gleich den Nerv der Gäste, die offensichtlich berührt die besondere Atmosphäre genossen.
Neuer Wind für Augsburg
In meiner Ansprache war es mir besonders wichtig, auch über die ideelle Bedeutung eines ‚Grundsteins‘ oder ‚Ecksteins‘ zu sprechen, also über die inhaltliche Ausrichtung eines Gebäudes. Danach nahm ich die Gäste mit auf einen virtuellen Rundgang durch das Gebäude – allerdings nicht in digitaler Form, wie es heute üblich ist. Ich bat die Teilnehmer vielmehr die Augen zu schließen und sich von mir durchs Gebäude führen zu lassen.
Währenddessen kamen plötzlich mehrere Windstöße auf, die die Blätter meines Konzepts mitnahmen, aber nur die, die ich nicht mehr brauchte. Man könnte dies als Zeichen werten, dass durch das Westhouse-Projekt frischer Wind nach Augsburg kommt.
Immer wieder geht es um die Vision des Bauwerks
Zu Wort kamen auch unser Sozialbürgermeister Dr. Stefan Kiefer („hier wurde nicht nur ein wichtiger Grundstein für das Haus, sondern für die ganze Stadt gelegt“), der Geschäftsführer des Inklusions-Hotels Jochen Mack („Wir haben jetzt eine Pädagogin eingestellt. Sie wird sich um unsere Mitarbeiter kümmern und sie vorab schulen.“) und unsere Bistro-Betreiberin Meike Weickel („Wer möchte, kann Geld am Tresen hinterlassen und damit einem anderen Gast einen kostenlosen Espresso oder Imbiss ermöglichen“).
Drei Pfarrer in Einheit
Geistliches Highlight war die ökumenische Segnung, die uns besonders wichtig war. Das Westhouse gehört ja keiner Kirche, sondern soll für die Region im Sinne der Einheit der Christen genutzt und unterstützt werden. Jeweils ein Pfarrer der katholischen und evangelischen Kirche sowie der Freien Evangelischen Gemeinde – jener Freikirche in der Nachbarschaft, die das Projekt ursprünglich initiiert hatte – vollzogen gemeinsam das Ritual. Mit Weihwasser, Segnungs-Gebet und Impulsen aus Jeremia („Suchet der Stadt Bestes“).
Ein paar Weihwasser-Tropfen fanden sogar noch den Weg in die Zeitkapsel, die wir danach gemeinsam versenkten. – Bewegend, dass jeder Pfarrer seinen Part hatte, der so gut zu den anderen passte. Gelebte Einheit eben.
08/15-Programm oder Extra-Meile?
Wenn man Herzblut reinsteckt in die Organisation und Durchführung einer solchen Veranstaltung tut es richtig gut, wenn Besucher die Rückmeldung geben, dass sie die gastfreundliche Atmosphäre in vollen Zügen genossen haben. Das hat uns wieder einmal gezeigt, wie wichtig es ist, in eine solche Veranstaltung zu investieren und nicht einfach ein 08/15-Pflicht-Programm zu erfüllen.
Ein Schlüsselerlebnis hatte ich mit dem Geschäftsführer unserer Rohbaufirma, mit dem ich noch zwei Tage vorher über Nachverträge, Termine und Mehrkosten verhandelt hatte. Die Gäste waren inzwischen gegangen und unsere Mitarbeiter schon am Aufräumen. Wir beide standen am Schluss alleine da und hatten eine richtig gute Zeit miteinander.
Mein Fazit: Letztendlich geht es bei solchen Veranstaltungen doch vor allem darum, Beziehungen zu bauen und zu pflegen und nicht nur darum, eine möglichst gute Presse zu bekommen.