Unfreiwillig retro – so empfinde ich oftmals das Interieur von Kirchenräumen. Landauf, landab ist es dasselbe. Ich kann gut verstehen, dass man sich an den Look der letzten Jahrzehnte gewöhnt hat, wenn man regelmäßig in einem Gebäude aus- und eingeht. Ganz anders der Besucher mit seinem gnadenlos geschärften Außenblick, der sofort erkennt, ob er hier gerne ist oder nicht.
Die gute Nachricht: Auch mit wenig Geld kann man enorm viel erreichen. Neue, moderne Farben, Materialien und Möblierung wirken Wunder. Und das ist bekanntlich Jesu Kernkompetenz.
Wenn die Gemeinde Jesu Braut ist, dann sind die Räume ihre Brautkleider
Gemeindeverschönerung ist kein Luxus
- Wegen Jesus: Die Gemeinde als Braut Christi verdient schöne Kleider und ehrt Ihn damit. Zudem ist Jesus ein leidenschaftlicher Gastgeber und diese Funktion hat immer auch mit der Ästhetik der Räumlichkeiten zu tun. Nicht nur die Fassade einer Freikirche sollte möglichst attraktiv, interessant und einladend sein sowie Gottes Sinn für Schönheit widerspiegeln. Gastfreundschaft hat auch ganz viel damit zu tun, dass sich Gäste innen wohlfühlen und nicht nur der Gastgeber.
- Wegen der Menschen, die wir einladen wollen: Gäste sollen möglichst wiederkommen und nicht abgeschreckt werden durch nasenbelästigenden Mief oder nachsintflutliche Cordsofas in Zahnfleischumbra. Es macht Sinn, gerade auch ältere Räume zeitgemäß zu gestalten. Die Farben sollten hell und freundlich sein und Offenheit ausstrahlen, die Formen modern. Diese Frische spricht Menschen an und drückt Wertschätzung aus.
Wenn Gemeinderäume ähnlich gestaltet sind, wie die Orte, an denen sich Menschen in ihrer Freizeit ansonsten gerne aufhalten, senken wir die Schwelle für Gäste, uns zu besuchen. Die sogenannten Third Places – (halb-)öffentliche Räume der Begegnung wie Sport- und Kulturstätten, Bistros und Coffeeshops, Geschäfte und Kirchengemeinden – werden laut Trendforschung zukünftig eine immer größere Rolle spielen. Gehört unsere Freikirche schon dazu? Unsere Think Tank Gemeinde 4.0-Konferenz beschäftigt sich mit diesem Thema.
- Wegen uns selbst: Wer sich häufig in einem Gemeindezentrum aufhält, der engagiert sich dort lieber, wenn es schön ist. Ein ansprechendes Ambiente erleichtert es uns, Veranstaltungen zu organisieren, die über das Pflichtprogramm der Gemeinde hinausgehen. Attraktive Räume kann man besser auslasten, außerdem unterstützen sie unser psychisches Wohlbefinden: Hell und freundlich verstärken sie unsere freudige Verfassung, dunkel und trist entsprechend nicht.
- Wegen der Jugend und den kommenden Generationen: Hier schlägt mein Herz höher und manchmal kämpfe ich auch mit den Tränen. Warum kommen die jungen Leute nicht mehr? Das hat bestimmt viele Gründe, aber kann es auch sein, dass die Gemeinderäume sie abturnen? Dass sie sich überhaupt nicht damit identifizieren können, weil sie nach der älteren Generation riechen und einen Look haben, mit dem sie nichts anfangen können? Oder für den sie sich sogar schämen, weil er so ungewollt retro und ärmlich ist, dass es schon weh tut? Wo sie ihre Veranstaltungen nicht durchführen können und deshalb dort auch tote Hose ist?
Immer wieder sehe ich bei meinen Gemeindebesuchen in ganz Deutschland, dass über Jahrzehnte nicht modernisiert wurde. Das ist eine Ursache, warum Gemeinden schrumpfen und vielleicht auch aufgegeben müssen. Weil sich niemand darum gekümmert hat, dass sie ein Zuhause für junge Leute werden. Da helfen auch fromme Motive nichts – das ganze Geld fließe in die Mission oder den Jugendpastor – wenn das den Zustrom an jungen Menschen verstopft. Die Verantwortung für den Nachwuchs sollten wir unbedingt wieder ergreifen. Manchmal müssen wir nur umdenken und neue Wege suchen.
- Wegen der Nutzungsmöglichkeiten: Wenn ein Gemeindehaus schon in die Jahre gekommen ist und zeitgemäß gepimpt wird, entsteht daraus ein Ort, an dem viel mehr passieren kann als „nur“ Bibelstunde und andere Gemeindeprogramme. Vielleicht, weil die Räume jetzt multifunktionaler und dadurch leichter zu vermieten sind. Oder einladender und zugänglicher für die Nachbarschaft und Vereine. Menschen schnuppern in die Gemeinde hinein, die früher nie gekommen wären. Es entstehen wertvolle zwischenmenschliche Kontakte und ungeahnte finanzielle Möglichkeiten durch die Vermietung der Räume.
‚Singt dem Herrn ein neues Lied‘ und klebt ihm auch mal eine neue Tapete
Die Kommunikationswissenschaft weiß es längst: Räume senden wortlos eine Botschaft in die Stadt und zu den Menschen. Wir haben die beste Botschaft überhaupt zu senden. Gut verpackt, wird sie leichter den Weg zu den Herzen der Menschen finden, da bin ich mir ganz sicher. Und ich freue mich schon auf viele kreative Lösungen, die mit wenig Aufwand einen großen Unterschied machen.